FÄRBE MICH, ABER RICHTIG!

Herr Schmidt, wir sehen überall Künstler & Promis, mit wunderschön gepflegten Haaren und aufregenden Haarfarben. Ganz anders das Bild auf deutschen Straßen.  

Bekommt man eine schöne Haarfarbe nur vom Celebrity-Hairdresser in Hollywood?

Nein, es ist auch bei uns möglich, gesunde und schön gefärbte Haare zu haben. Meiner Meinung nach ist es eine Sache des Anspruchs, sowohl auf der Seite der Kundin, als auch von Seiten des Friseurs.

Viele Kundinnen, die sich schon jahrelang colorieren lassen, haben sich mit der Tatsache abgefunden, dass ihre Haare nach dem Färben so sind, wie sie sind. Dabei entwickelt sich die Technik ständig weiter, auch in der Kosmetikindustrie. Warum das bei vielen Kundinnen nicht ankommt, liegt hauptsächlich an zwei Dingen:

– Zu wenig Aufklärung des Kunden in der Beratung. Viele Kolleginnen und Kollegen stellen zu häufig die Frage: „Wie beim letzten Mal, Frau Müller?“ Dabei ist die Kundin nicht diejenige, die die Technik und die Ausführung vorgibt. Die Kundin ist diejenige, welche die letzte Entscheidung trifft. Damit sie das kann, müssen wir als Professionals erfolgreich beraten.

– Das Andere ist die mangelnde Bereitschaft von Betrieben, ihre Mitarbeiter fortzubilden. Friseurtechnik ist all zu oft ein Low-Budget-Business. Das ist zu kurz gedacht. Eine gute Ausbildung der Mitarbeiter ist eine Investition ins Geschäft, welche sich in Kundenzufriedenheit und einer hervorragenden Behandlungsqualität niederschlägt.

An dieser Stelle wird dann auch der Vergleich zu Hollywood & Co. deutlich. Stars und Celebrities legen Wert auf ihr Aussehen. Der Hairdresser hat dort eine ganz andere Bedeutung als der Friseur hier. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht dort schönes und vor allem auch natürliches Haar. Selbst extrem helle Blondtöne werden dort in Techniken gefärbt, die eine „wie gewachsen“-Eleganz ausstrahlen. Aber diese Techniken sind auch hier bekannt und werden in speziellen Schulungen unter den Namen Dusting, Spotlight und Lightning Bolt weitergegeben.

Wenn man nicht gerade den Stylisten jeden Morgen zu sich ins Badezimmer bestellt, ist es wichtig, auch selbst zum Experten fürs eigene Haar zu werden. Hochwertige Produkte und ein sicheres eigenes Styling sorgen für einen dauerhaft gepflegten Zustand.

Auch dort erkennt man den guten Friseur, der spätestens auf Nachfrage gern bereit ist, Fön- und Stylingtips für Zuhause eloquent und nachvollziehbar zu erklären.

In meinem Bekanntenkreis höre ich immer wieder Horrorstories vom Friseurbesuch. Stichpunkte sind: Gelbliche, grünliche Farbstiche, trockene, spröde Haare, ganz zu schweigen von Farben, die innerhalb von Tagen ausbleichen. Dabei ist die Farbe meist der größte Rechnungsposten auf dem Kassenbon. 

Ist es so schwierig, Haare richtig zu färben?

Ganz kurz: JA.

Haare färben ist ein hochkomplexer chemischer Prozess, in dem es einfach viel zu beachten gibt. Wenn wir uns selbst die Haare perfekt färben könnten, würden wir uns das Geld sparen.

Wie kommt es also, dass sich gemeinhin das Haare färben für den Kunden so einfach wie das Anstreichen einer Wand darstellt?

Schuld sind Drogerieprodukte, die perfekte selbstgemachte Farbergebnisse versprechen und Kolleginnen und Kollegen, die die Komplexität der Farbveränderung nicht einräumen, aus Angst, der Kunde könnte sie dann für unfähig halten. Nach dem Motto: „Alles ist kein Problem“.

Das ist nicht nur falsch und unsympathisch, sondern auch schädlich für den Kunden. Wir als Friseure haben durch unseren Wissensvorsprung eine Verantwortung dem Kunden gegenüber, für dessen Gesundheit zu sorgen, auch der Gesundheit der Haare. Eine aufklärende Beratung, fundiertes, fachliches KNOW-HOW sind die halbe Miete.

Jeder Friseur muss auf die Individualität des Kunden eingehen und sich nicht scheuen, ehrlich zu sein. Auch wenn das in wenigen Fällen bedeutet, von einer Behandlung abzuraten oder gar zu verweigern.

Natürlich spielt die Qualität der verwendeten Haarfarbe eine Rolle. Multiton-Haarfarben sind keine Werbeerfindung. Sie zeichnen sich durch ein besonders natürliches Finish aus. Genauso findet man in hochwertigen Farbprodukten natürliche Inhaltsstoffe, die die Haare pflegen und alte chemische Inhaltsstoffe nachhaltiger und gesünder ersetzen. Vor allem Honig, der schon in der Antike zur Hautpflege und Desinfektion eingesetzt wurde, sowie Shea-Butter wurden in den letzten Jahren wiederentdeckt.

Der richtige Glanz und die brillante Farbechtheit stellen sich jedoch nur nach einer abschließenden Veredelung der Farbbehandlung ein. Das ist ein zweiter, kurzer Färbeprozess, in dem Toner in einem sogennanten Glazing-Verfahren semi-transparent auf das Haar aufgebracht werden. Die Farbmoleküle legen sich durch physikalische Ladung an und ums Haar, kitten die äußere Substanz und sorgen für eine glatte und farb-intensive Oberfläche. Nur glatte Oberflächen können Licht wie ein Spiegel reflektieren und für eine strahlende Leuchtkraft der Farbe sorgen.

Dabei ist es egal, ob wir von braunem, rotem oder blondem Haar sprechen. Eine Veredelung ist für jeden Ton geeignet.

Beim Färben bekommt man Mal eine Plastikhaube aufgesetzt, mal Alu- oder Papiersträhnen, mal Wärmezufuhr. Die Zeiten, die ich als Kundin dort mit der Farbe sitze, variieren zwischen 30min und 1,5std. Einmal habe ich eine eiskalte Haarwäsche bekommen, weil nur so der Ton kühl werden sollte.

Was stimmt denn nun? Wie färbt man Haare richtig?

Viele Wege führen nach Rom und jedes Haar ist anders, selbst bei gleichem Ton und gleicher Struktur. Ich muss als Friseur für jede Kundin die optimale Rezeptur und Technik finden. Viele althergebrachte Verfahren sind nicht schonend für die Haare und mittlerweile überholt. Wenn ich noch so färben würde, wie zu Zeiten meiner Ausbildung oder sogar meiner Meisterprüfung, würden mir die Kunden davonlaufen.

Die wichtigste Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass Färben Zeit braucht. Wo man früher mit hochprozentigen Oxidanten das Haar in 30min aufhellte, auf Kosten der Haarintegrität, färbt man heute weniger „scharf“, bei verlängerten Einwirkzeiten.

Man kann das durchaus mit der Küche vergleichen. Schnell aufgewärmt in der Mikrowelle, macht genauso heißes Essen, wie das schonende Kochen im Dampfgarer bei niedriger Hitze. Der Unterschied liegt in der Unversehrtheit des Produkts. So ist auch das Färben von Haaren unter Zuhilfenahme von Wärme nicht ratsam. Man beschleunigt nur den chemischen Prozess, der dann auch die Proteine des Haares angreift und zerstört.

Grobe Richtwerte sind: Intensivtönungen: 25min, weiße Haare abdecken: 45min, Hellerfärbungen: 50min+. Dies muss man aber der Kundin auch so kommunizieren, damit sich diese darauf einstellen kann.

Strähnen, die nur einen schönen Farbton erreichen, wenn sie kalt abgespült werden oder mit Mondphasen korrelieren, sind reiner Irrglaube und Esoterik und zeugen von Unkenntnis der chemischen Vorgänge seitens des Behandlers.

Es häufen sich die Berichte über Unverträglichkeiten und Allergien beim Haare färben. 

Worauf kann ich als Kundin achten, wenn ich mir Risikoarm die Haare färben lassen möchte?

Ich fasse das unter einem Stichwort zusammen: AWARENESS.

Ob genverändertes Gemüse, Antibiotika in Fleisch, oder Pestizide an der Kleidung, dort überall haben wir diese Achtsamkeit. Warum sollte es mir also egal sein, welche Chemie ich an meine Kopfhaut lasse?

Sowohl Kunden als auch Friseure sollten sich informieren, welche Inhaltsstoffe in der Haarfarbe vorhanden sind. PPD (Paraphenulendiamin) ist einer der Stoffe, der völlig unerklärlich immer noch in vielen Färbeprodukten zu finden ist, obwohl er nachweislich zu starken Hautirritationen führt, allergieauslösend sein soll und als krebserregend eingestuft ist. Verantwortungsbewusste Hersteller haben PPD schon lange aus ihren Produkten verbannt.

Kunden mit empfindlicher Haut sollten stets ein Hautschutzpräperat auf besonders empfindliche Stellen aufgetragen bekommen (Schläfen-, Ohren-, Nackenbereich) und rechtzeitig vor dem ersten Färbetermin mit einer neuen Haarfarbe eine Unverträglichkeitsprüfung mit dem entsprechenden Produkt von Ihrem Friseur durchführen lassen.

Es gibt statistische Erhebungen, dass die durchschnittliche Frau mehr als 10 verschiedene Haarpflegeprodukte im Badezimmer stehen hat. 

Was macht denn nun ein gutes Produkt aus und was brauche ich als Colorationskundin wirklich in meinem Schrank?

Sie brauchen das, was Ihnen gut tut, mehr nicht.

Unser Haar ist evolutionär nicht darauf ausgelegt, gewaschen, geföhnt und gefärbt zu werden. Da wir aber nun mal keine fettigen, ungestylten und manchmal auch ergrauten Haare haben wollen, müssen wir unserem Haar eine spezielle Pflege zukommen lassen. Sauber soll es werden (Shampoo), Glanz und Geschmeidigkeit haben (Rinse), kräftig und voller Sprungkraft sein (Kur) und in der Textur fallen, die wir uns Wünschen (Styling-Produkt). Für das, was sie von Natur aus haben, brauchen Sie kein Produkt und sollten sich auch keines andrehen lassen. Ein guter Friseur erklärt Ihnen den Nutzen eines jedes Produktes, für das sie sich interessieren, spricht Probleme von sich aus an, bietet Lösungen und gibt Ihnen auch gerne die Möglichkeit des Austestens.

Gute Friseurprodukte sind Konzentrate, die bereits in kleinen Mengen ihre Wirkung entfalten, und reich an hochwertigen ätherischen Ölen. Das schont längerfristig ihren Geldbeutel und pflegt nachhaltig.

Ein absolutes NO-GO sind Sulfate & Parabene in Produkten. Diese trocknen das Haar aus und wirken sich negativ auf den Zellaufbau aus. Zusätzlich verblassen Haarfarben schneller.

Ich lebe zwar nicht vegan, aber ich versuche doch sehr auf meine Umwelt zu achten. alle 6 Wochen bin ich jedoch beim Friseur um mir den Chemiecocktail für das Haar zu geben. So schön das Verwöhnprogramm mit Kopfmassage ist, habe ich dennoch jedes mal kleine Gewissensbisse. 

Ist das ein Luxus auf Kosten der Natur und derer Ressourcen?

Jeder Mensch sollte Energie- und Umweltbewusst handeln und jeder kann täglich seinen Teil dazu beitragen.  Zum Glück teilen immer mehr Menschen diesen Gedanken.

Für uns als Friseure bedeutet das, mit Wasser zu haushalten. Chemische Produkte sollten so sparsam wie möglich verwendet werden. Deswegen achte ich gerade bei meinen Mitarbeitern und mir selbst darauf, dass Farbe genau abgemessen wird und nichts in den Töpfchen zurückbleibt. Lieber einmal 10g Farbe nachmischen, als von vornherein Massen übrig zu behalten. Das danken dann auch die Kunden, da letztendlich der Farbverbrauch auf den Kunden umgelegt wird. Leider gibt es von Seiten der Wasserverarbeitungsbetriebe noch keine brauchbare Lösung für die Filterung der ausgespülten Farbe. Ich hoffe, dass es mit steigendem Bewusstsein für das kostbare Gut „Wasser“ und weiteren Innovationen möglich sein wird, dieses Problem zu lösen.

Einen großen Schritt sind da einige Firmen gegangen, die mit ihrer trinkwasserneutralen Produktion, den vielfach verwendeten nachwachsenden Rohstoffen und dem Verzicht auf Tierversuche ihrer Verantwortung gegenüber unserer Erde nachkommen.

Friseure und Kunden können diesen Weg gemeinsam unterstützen. In meinem Salon sind alle Verpackungen unseres Industriepartners vollständig recyclebar und werden von uns zurückgenommen. Unsere Tragetüten sind aus Altpapier und Pflegeprodukte, wie Rinse und Masque, können zu 20% im Haar verbleiben, ohne die Frisur zu beschweren. Auch das spart Wasser.

Alles in allem sind wir noch nicht am Ende der Möglichkeiten angekommen, aber jeder kleine Teil trägt zum großen Ganzen bei – das macht ein gutes Gefühl, für uns und unsere Kunden.

Herr Schmidt, wenn Sie eine Checkliste schreiben müssten, worauf ich beim nächsten Friseurbesuch achten sollte, wie würde diese aussehen?

Im Großen und Ganzen ist der Friseurbesuch eine Vertrauensangelegenheit. Wenn sie ein gutes Verhältnis mit ihrem Friseur haben, können sie sich bestimmt mit allen Fragen an diesen wenden und bekommen eine fachlich versierte und verständliche Antwort zurück. Ganz persönlich würde ich aber auf folgende Dinge achtgeben:

– Zeit 

Abfertigung oder Platz für ihre individuellen Wünsche?

– Kosten 

Zahlen sie für Prosecco oder für die Verwendung von hochwertigen Produkten und Techniken?

Billigketten sparen wo es geht; Mitarbeiter, Produkte, Zeit. Das geht auf ihre Kosten.

– Beratung 

Werden ihnen mehrere Alternativen vorgeschlagen? Klären die Friseure sie über Nutzen und Risiken von Produkten und Inhaltsstoffen auf?

– Betriebsklima 

Unmotivierte Mitarbeiter, ein rauher Umgangston – das zeugt von Problemen in der Salonstruktur. Nur Friseure, die ihrem Beruf eine gewisse Leidenschaft entgegenbringen, sind auch in der Lage konstant gute Leistungen zu erbringen.

– Produktqualität 

Nur mit hochwertigen Produkten lassen sich Ergebnisse auf maximalem Niveau erzielen. Ein Produkt, dass es für 10 EUR weniger im Internet oder bei der nächsten Drogeriekette gibt, kann kaum hochwertige pflanzliche Extrakte enthalten, die in Gewinnung und Raffinierung ein Vielfaches kosten.

Herr Schmidt, haben sie vielen Dank für das spannende Interview und ihre fachliche Expertise zu diesen komplexen Themen.

Sehr gern.